Krenzer"12 Jahre – 12 Schicksale" im Geschichtsunterricht1937  

4) Materialien: 1937 – Nobis Seite 9 von 32

M9 – Ankunft im KZ Buchenwald
 
Bericht von Max Hollweg69
[Im KZ Buchenwald angekommen wird Hollweg schwer misshandelt und der Strafkompanie zugeteilt.]
Über meine Welt fällt ein grauer Schleier, auch in meinen Träumen. Vor Kälte bibbere ich so sehr, daß das Gestell des Bettverschlages im Takt mitzittert. In meiner Verzweiflung will ich Jehova bitten, mit Erlösung durch den Tod zu schenken. Da haut mit mein Bettnachbar in die Rippen, flüsternd fragt er: „Wer bist du, und wo kommst du her?“ Er erzählt, daß er ein Glaubensbruder, nämlich Erich Nicolaizig sei, zieht mich an sich und breitet beide Zudecken über uns aus. Dank seiner Körperwärme überstehe ich die Nacht. ... Die selbstlose Liebe der Glaubensbrüder, die Aufmunterungen und die aufopfernde Bereitschaft zu helfen, hat vielen von uns das Überleben gesichert.
 
Bericht von Leopold Engleitner70
Am 9. Oktober 1939 kam ich im Konzentrationslager Buchenwald an. Sobald der Bunkeraufseher erfahren hatte, dass unter den Neuankömmlingen ein Zeuge Jehovas war, wurde ich zur Zielscheibe seiner brutalen Gewalttätigkeiten. Er schlug wild auf mich ein. Als ihm klar wurde, dass er mich nicht dazu bewegen konnte, meinen Glauben aufzugeben, sagte er: „Ich werde dich erschießen. Aber ich erlaube dir, deinen Eltern noch eine Abschiedskarte zu schreiben.“ Ich versuchte tröstende Worte für meine Angehörigen zu finden, aber er stieß immer wieder gegen meinen rechten Ellbogen. So war die Karte völlig unleserlich. Höhnisch schrie er: „Schau, dieser Trottel kann nicht einmal schreiben. Aber zum Bibellesen ist er nicht zu dumm.“
Dann zog er seine Pistole, hielt sie mir an den Kopf und tat so, als würde er abdrücken, wie ich zu Beginn berichtet habe. Anschließend stieß er mich in eine kleine überfüllte Zelle. Ich musste die Nacht stehend verbringen. Schlafen hätte ich auch gar nicht können, denn mein ganzer Körper schmerzte. Meine Zellengenossen hatten nur Spott für mich übrig und sagten: „Es ist doch sinnlos für so einen blöden Glauben zu leiden.“ ...
Am Ende eines Arbeitstages war ich immer froh, wenn ich mit meinen Glaubensbrüdern zusammen sein konnte. Wir hatten dafür gesorgt, dass geistige Speise ausgeteilt wurde. Jeden Tag schrieb ein Bruder einen Bibeltext auf einen Zettel, der dann herumgereicht wurde. Eine Bibel, die ins Lager geschmuggelt werden konnte, wurde in ihre Einzelteile zerlegt. Mir wurde für drei Monate das Buch Hiob anvertraut. Ich versteckte es in den Socken. Der Bericht über Hiob half mir standhaft zu bleiben.
 

69 Max Hollweg: Es ist unmöglich von dem zu schweigen, was ich erlebt habe, Zivilcourage im Dritten Reich, Bielefeld 1997, S. 69ff.
70 Leopold Engleitner: Obwohl schwach, bin ich machtvoll. In: Der Wachtturm, Jg. 126, Nr. 9 (1. Mai), Selters 2005, S. 25-26.

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