Krenzer"12 Jahre – 12 Schicksale" im Geschichtsunterricht1940  

4) Materialien: 1940 – Kusserow Seite 19 von 32

M19 – Rechtsanwalt Dr. Rohr, 17. April 1940
 
Sehr geehrte Frau Kusserow!

Ich hatte den dienstlichen Auftrag bekommen, Ihren Sohn vor dem Kriegsgericht in Münster iW. zu verteidigen und habe die Verteidigung durchgeführt. Bei dem klaren Sachverhalt war kein anderes Urteil als das erlassenen Todesurteil zu erwarten. Ich habe dann im Einverständnis mit Ihrem Sohne ein Gnadengesuch eingereicht und man ist geneigt, das Gnadengesuch zu genehmigen, aber dann nicht, wenn Ihr Sohn sich nach wie vor weigerlich verhält, Soldat zu werden.

Nach fernmündlicher Nachricht von Berlin hat es Ihr Sohn nunmehr selbst in der Hand, über sein Leben zu entscheiden; erklärt er sich bereit, Soldat zu werden, rettet er sein Leben, während er im anderen Falle mit der Vollstreckung des Todesurteils am Sonnabend dieser Woche oder im Anfang nächster Woche rechnen muss. Ich halte mich für verpflichtet, Sie als Mutter mit aller Deutlichkeit auf den Ernst der Situation aufmerksam zu machen und bitte Sie auch Ihrerseits, Ihren Einfluss auf Ihren Sohn geltend zu machen, dass er in letzter Minute noch die Erklärung abgibt, nunmehr Soldat sein zu wollen.

Ihr Sohn wird nicht seines Glaubens wegen verfolgt, sein Glaube ist dem Staate gleichgültig. Ihr Sohn wurde verurteilt, weil er gegen die staatlichen Gesetze gegen die staatlichen Gesetze bezüglich der Wehrpflicht verstößt. Ich habe Ihren Sohn darauf hingewiesen, sich Ihnen, seiner Mutter und seinen Geschwistern doch zu erhalten, habe auch darauf hingewiesen, dass ein Leben voll Arbeit und Mühe für ein Volk und seine Familie ganz gewiss schwerer und daher verdienstvoller sein würde als der augenblickliche nur Sekunden dauernde Gang durch das Tor in die Ewigkeit. Ist sein Glaube richtig, so muss er auch überzeugt sein, dass der allgütige Gott ihn verstehen wird, wenn er sich für sein Volk im augenblicklichen Kriegszustande und für seine Familie das ganze Leben hindurch bemüht und aufopfert, denn niemand ist größer, als wer sein Leben hingibt für die Seinen. Es ist viel leichter und daher weniger verdienstvoll, den schnellen Schritt in die Ewigkeit zu machen als ein Leben lang Opfer zu bringen. Wenn es in der Bibel heißt: Liebet Eure Feinde, so ist damit nur der persönliche Feind gemeint, auf keinen Fall aber der Feind des Vaterlandes, der unser persönlicher Feind nicht ist, sondern nur unser Feind ist, weil er der Feind unseres Vaterlandes ist.

Ich rate Ihnen dringend, möglichst sofort an Ihren Sohn oder an mich zu schreiben, dass er seine bisherige Haltung aufgeben und sich zum Militärdienst bereiterklären soll, nur so können Sie sein Leben retten, wozu Sie auch als Mutter verpflichtet sein dürften.

Ich begrüße Sie
gez. Dr. Rohr
 

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