Krenzer • "12 Jahre 12 Schicksale" im Geschichtsunterricht • 1941 | ← → |
4) Materialien: 1941 Winkler | Seite 22 von 32 |
M22 Titelblatt und Auszüge aus Trost (heute: Erwachet!)
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a) Ausgabe 15.2.1938 | |
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Der Unterzeichnete war selbst Gefangener im Konzentrationslager Esterwegen in Ostfriesland,
Deutschland. Meine Berichte sind Erfahrungen, Miterlebtes, und stützen sich auf das, was ich teils gesehen, gehört und mitgemacht habe. ...
Zu meiner Zeit waren im Lager Esterwegen etwa 1300 bis 1500 Gefangene. Die Bewachung erfolgte durch S.S.-Männer, der Hitlergarde. Es waren
alles junge Menschen von 20 bis 25 Jahren, die zuvor herangebildet werden, damit sie entsprechend hartherzig auftreten und mit eingepflanztem
Hass ihre Mitmenschen, die völlig wehrlos sind, behandeln oder oft besser gesagt misshandeln. ...
Die vorsätzlich angewendeten Mittel und Methoden, um die Gefangenen zu zwingen Zugeständnisse zu machen, damit sie willfährig und aus Furcht tun, was das heutige Hitler-System verlangt, sind folgende: a) Dem Gefangenen wird fortwährend ein Zustand vollkommener Hoffnungslosigkeit vor Augen gehalten, jeder Anspruch auf Gerechtigkeit wird ihm entzogen, und andererseits versucht man, Mitleid zu erregen, indem man den Gefangenen an seine Frau, Kinder, Geschwister, Eltern usw. erinnert. b) Eine andere Form ist die versteckte und offensichtliche Drohung und Bedrohung, Bearbeitung mit Fußtritten und Faustschlägen, um Angst und Furcht zu erregen und die Gefangenen auf diese Weise zur völligen Aufgabe passiven Widerstands zu zwingen. c) Die dritte Form der Bekämpfung, besser gesagt, grausamer Misshandlung, besteht in der Anwendung brutalster Gewalt. Die Opfer werden zum Beispiel auf eine Pritsche geschnallt und von den stärksten S.S.-Männern mit einem Ochsenziemer unbarmherzig geschlagen ... Eine andere Art der Misshandlung und des gemeinen Terrors besteht darin, dass Gefangenen blutstockende Fesseln an den Handgelenken und an den Händen angelegt werden. Um die Misshandlung zu verstärken, wird der Gefangene außerdem krumm gefesselt und muss in diesem Zustand in einer kleinen Zelle stundenlang am Boden liegen. ... Eine weitere Art brutaler Gewaltausübung ist der Sport, die schlimmste Form militärischen Drills. Diesen Sport muss jeder einzelne im Lager mitmachen ... bis mehrere bewusstlos am Boden liegen. Den Bewusstlosen wird dann meistens eimerweise kaltes Wasser über Kopf und Körper gegossen, bis die Opfer zu sich kommen, dann müssen sie an den Übungen aufs neue teilnehmen ... Eine besondere Form der Schikanierung besteht ferner darin, dass die Gefangenen Baumstämme stundenlang im Kreise herumtragen, eiserne
Handkarren, mit Sand gefüllt, herumfahren und andere schwere Gegenstände in sinnloser Weise transportieren müssen. Das wird besonders an
solchen Tagen getan, wo es neblig ist, weil an nebligen Tagen Fluchtgefahr besteht und deshalb nicht ausgerückt wird.
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b) Ausgabe 1.3.1938 | |
Was ist nun der eigentliche Zweck dieser Brutalitäten? Alle diese Terrorakte werden wohlüberlegt
und mit Vorsatz und auf Befehl der deutschen Regierung durchgeführt. Ich sage auf Befehl der deutschen Regierung, weil der Kommandant bei
unserer Entlassung selbst sagte, dass das so ist, und unter Bedrohung ernstlich warnte, ja nichts außerhalb des Lagers über die Vorgänge
im Konzentrationslager zu erwähnen, da solche Menschen sofort wieder in das Lager gebracht würden, und was dann mit ihnen geschehen würde,
das wüssten wir ja selbst. Diese grausamen Inquisitionsmaßnahmen in den Lagern bezwecken nach ihren eigenen Angaben die Gefangenen mit
Furcht und Schrecken zu erfüllen, damit in ihnen jeder Gedanke etwaiger Opposition gegen das heutige System erstickt wird, jeder Gedanke
etwaiger Auflehnung und jede freie Meinungsäußerung unterbleibt. ...
Ich kenne alle diese Gefahren und Umtriebe, die berüchtigten Handlungen des Dritten Reiches, weiß auch, dass ich durch diese Veröffentlichung von Tatsachen weiteren Verfolgungen der Gestapo ausgesetzt bin, und werde trotzdem nicht schweigen, die Wahrheit zu veröffentlichen, die das Dritte Reich mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln unterdrückt. Im Interesse der Menschlichkeit erachte ich es als meine Pflicht, hiervon zu sprechen, damit gerechtigkeitsliebende, ehrlich gesinnte Menschen darin bestärkt werden, dass die vielen Veröffentlichungen über die grausamen Terrorakte und die Zustände in den deutschen Konzentrationslagern der absoluten Wahrheit entsprechen. Es möge eine Warnung sein für aufrichtige, gutgesinnte Menschen, damit sie kein Opfer dieser diktatorischen Machthaber werden, und ihre Sympathien nicht trügerisch, hochmütig und vermessend sprechenden Gewalthabern schenken, die unter der Maske der alleinigen Wohltäter des Volkes auftreten und angebliche Förderer einer neuen Zivilisation zum Nutzen der Allgemeinheit sein wollen. ... Um den Wahrheitsbeweis zu erhärten und die Glaubwürdigkeit zu bekräftigen, andererseits um darzutun, dass ich mir meiner Verantwortung völlig und offenherzig bewusst bin und den Kampf gegen Lüge, Verleumdung und brutale Gewaltanwendung mit Entschiedenheit aufgenommen habe und weiter durchführe, möchte ich das Vorgenannte mit eigener Unterschrift beglaubigen und alle für Wahrheit und Gerechtigkeit einstehenden Menschen ermuntern, sich in aktiver Weise an diesem Kampfe zu beteiligen. Arthur Winkler.
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