Krenzer"12 Jahre – 12 Schicksale" im Geschichtsunterricht  

3) Didaktische Hinweise Seite 12 von 14

1943 – Windolph
 
Die Hausfrau Johanna Windolph (1902–1963) war noch keine getaufte Zeugin Jehovas, als ihr das Regime Entscheidungen abverlangte, die ihr Gewissen berührten. Die Gestapo-Akten ihres Falls zeichnen ihren Leidensweg nach, der aus der Haft in Krefeld über eine Heilanstalt bis in das KZ Ravensbrück führte. Am Ende dieses Weges vermerken die Akten der Verfolger schließlich ihre Unterschrift unter eine „Erklärung“, mit der sie ihrem neuen Glauben formal abschwor.

Die unter dem Druck einer lebensbedrohlichen Situation geleisteten Unterschriften unter die „Verpflichtungserklärung“ als „‚Schattenseiten‘ des Bibelforscherwiderstands“64 zu beurteilen, lehnt Garbe als fragwürdig ab, da sie „Folge einer naiv verklärten Retrospektive“ sei, „die danach trachtet, Widerstandsgeschichte zu einem Heldenepos zu verdichten, und dabei die realen Bedingungen menschlichen Handelns außer Acht lässt“65. Dementsprechend machte das „Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1974“ deutlich, „dass die Brüder, die die Unterschrift leisteten, ... in den meisten Fällen keine ‚Verräter‘ [waren]. Viele machten ihre Unterschrift vor ihrer Entlassung rückgängig, ... viele von ihnen schlossen sich nach dem Zusammenbruch des Hitlerregimes sogleich den Reihen der Verkündiger an ... und förderten auf beispielhafte Weise die Interessen des Königreiches Jehovas. Viele wurden durch die Erfahrung getröstet, die Petrus machte, der ebenfalls seinen Herrn und Meister verleugnet hatte, aber später wieder seine Gunst erlangte. — Matth. 26:69-75; Joh. 21:15-19.“66

Mögliche Arbeitsaufgaben:

  1. Schildern Sie kurz den Lebenslauf Johanna Windolphs.
  2. Erläutern Sie Umfang und Begründung der Verweigerungshaltung Johanna Windolphs (M26a). Welche Veränderung bewirkte der Aufenthalt in der Heilanstalt Süchteln (M26e)?
  3. Beschreiben Sie, wie die Gestapo und der Krefelder Amtsarzt den Fall „Johanna Windolph“ einschätzten (M26).
  4. Analysieren Sie die „Verpflichtungserklärung“. Welche Bedingungen legten Sie dem Unterzeichnenden auf? Diskutieren Sie: Hätte ein Gefangener unabhängig von seiner wirklichen inneren Einstellung nicht einfach unterschreiben sollen, um die Freiheit zu erlangen?.
  5. Erörtern Sie, was es für Zeugen Jehovas wie Johanna Windolph oder Ella Hempel bedeutete, für ihre Überzeugungen einzutreten (M27). Stellen Sie ein Gespräch zwischen Margarete Buber, Johanna Windolph und Ella Hempel zur Frage der Unterschrift unter die berüchtigte „Verpflichtungserklärung“ nach.
  6. Diskutieren Sie die These Buber-Neumanns, Jehovas Zeugen seien „freiwillige Häftlinge“ gewesen.
 

64 Renate Lichtenegger: Wiens Bibelforscherinnen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus 1938–1945, Diss., Wien 1984, S. 172.
65 Garbe 1999, S. 305. Umgekehrt kann es entgegen einer häufig kolportierten Meinung auch nicht als „freiwillige“ Fortsetzung der Haft bezeichnet werden, wenn Jehovas Zeugen auch im KZ an den Überzeugungen festzuhalten versuchten, um derentwillen sie dorthin verschleppt worden waren, und damit ihre Entlassung verhinderten.
66 Wachtturm-Gesellschaft: Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1974, Wiesbaden 1974, S. 178.

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