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Analyse von Schulbüchern für
den Religionsunterricht

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„Der Gedanke der Toleranz in Bezug auf Glaubens- und Religionsfreiheit wird im schulischen Unterricht vermittelt und in Lehrplänen und Schulbüchern berücksichtigt.“1 Angesichts dieser selbstbewußten Feststellung der deutschen Kultusminister könnte man versucht sein, sich beruhigt zurückzulehnen und zur Tagesordnung überzugehen, stünde ihr nicht das Resümee der „Sekten“-Enquete des Bundestages entgegen: „Die schulische Bildung wird der Situation des Bürgers in einer religiös und weltanschaulich pluralen Gesellschaft einschließlich der damit verbundenen Probleme derzeit nicht gerecht. Diese schulische Bildung muß vor dem Hintergrund kultureller und religiöser Pluralisierung verstärkt interkulturelle Lernprozesse fördern. Diese sollen auf die Ermöglichung interkultureller Toleranz und einer reflektierten, kritischen Auseinandersetzung mit pluralen Lebensformen und Weltanschauungen zielen.“2 Während Toleranz gegenüber ethnischen und kulturellen Minderheiten längst in Lehrplänen und Schulprogrammen verankert ist, gibt es noch einen großen Nachholbedarf, wenn es um religiöse Minoritäten geht. In ihrem Fall spiegelt die Schule oft genug die öffentliche Meinung wider, die religiöse Minderheiten fast ausnahmslos als abnorm und gefährlich einstuft.

 

Bei einer Untersuchung evangelischer Religionsbücher stellte Herbert Schultze schon 1971 fest, daß religiösen Fremdgruppen mit deutlichen Abwertungstendenzen und Vorurteilen begegnet werde: „Andere Auffassungen, besonders der katholischen Kirche, aber auch von Freikirchen und Sekten und schließlich von Fremdreligionen stellen die Lehrbücher nicht selten in Schwarz-Weiß-Malerei dar.“ Es sei daher „unvorstellbar schwierig, für Schüler mit begrenzten Verstehens- und Informationsmöglichkeiten die einzelnen Religionen und das Phänomen der Religion überhaupt zutreffend darzustellen. Weder die Religionswissenschaft noch die Fachdidaktik ... stellt Modelle zur Lösung dieser Aufgaben bereit. In den Lehrbüchern finden sich jedoch negative Realisierungen, die auf jeden Falls zu vermeiden sind.“ Die Werke „vermitteln Stereotypen, Vorurteile und Klischees, die sich in einem negativen Sozialverhalten der Schüler auswirken müssen.“3

 

Seit dieser Feststellung sind mehr als drei Jahrzehnte vergangen. In dieser Zeit hat sich die religiöse Pluralität stark ausgeweitet. In der Bundesrepublik Deutschland existieren gegenwärtig zwischen 800 und 1000 religiös orientierte Gemeinschaften. Zwar haben die meisten von ihnen nur sehr wenige Mitglieder und lösen sich entsprechend schnell auch wieder auf, doch bietet der häufig so genannte „religiöse Supermarkt“ beinahe das gesamte Spektrum dessen an, was jemals zum Thema Religion gedacht wurde. Mit der Zahl der Angebote wuchs auch das Bedürfnis nach Orientierung. Entsprechend wurden Richtlinien und Lehrpläne für den Religionsunterricht überarbeitet und viele Bundesländer haben neben dem Religionsunterricht das Fach „Ethik“ eingerichtet. Inzwischen ist zumindest ein ehrliches Bemühen festzustellen, die sogenannten Weltreligionen in ausgewogener Weise darzustellen. So wurde 2003 auf dem Workshop „Der Islam in deutschen Schulbüchern“ konstatiert: „Die untersuchten katholischen und evange-lischen Religionsbücher sowie Ethikbücher zeigen ... ein insgesamt positiv zu bewertendes Islambild auf.“4

 

Dies gilt jedoch nicht für religiöse Minderheiten. Noch 1992 stellte Veit-Jakobus Dieterich fest: „Auch die gegenwärtigen Materialien sind nicht frei von – häufig unterschwelligen, mitunter aber auch offen bösartigen – Diffamierungen von Andersdenkenden.“5 Auf den folgenden Seiten wird versucht, eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Schulbüchern vorzunehmen. Natürlich ermöglicht eine solche Analyse allein noch keine Aussagen über den realen Unterricht. Dennoch ist die Gestaltung von Lehrbüchern keinesfalls eine Randfrage. „Schulbücher sind Dokumente der Zeitgeschichte und damit gesellschaftliche Produkte. Sie atmen den Geist ihrer Epoche und sind Spiegel der gesamtgesellschaftlichen Verfassung und Bewußtseinslage. Schulbuchforschung ist insofern immer auch Zeitgeistforschung.“6 Wie die Schulbuchforschung insbesondere für das Fach Geschichte gezeigt hat, haben Vorurteile, ungenügende Information und sogar Haß immer wieder die Darstellung in Schulbüchern geprägt. Welche fatalen Folgen dies für den Einzelnen wie für die Gesellschaft haben kann, zeigt ein Blick in die deutsche Geschichte. In der Frage religiöser Toleranz kann die Schule einen prägenden Beitrag leisten. Dies bringt große Verantwortung mit sich. Leider kommen auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Raum der Schule und des Unterrichts immer wieder Fälle von erschütternder Diskriminierung von Kindern, die religiösen Minderheiten angehören, vor.7 „Deshalb ist es von nicht zu unterschätzender Bedeutung, daß Schulbücher dem Schüler im Blick auf den Umgang mit Andersdenkenden und Anderslebenden zu zuverlässigem Wissen, angemessener Orientierung und brauchbaren Verhaltensmustern verhelfen.“8

 
 

1

Stellungnahme der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder, vertreten durch Steffen Reiche (Kultusminister Brandenburg), gegenüber der International Consultative Conference on School Education in Relation with Freedom of Religion and Belief, Tolerance and Non-Discrimination unter Vorsitz von Abdelfattah Amor, Special Rapporteur of the Commission on Human Rights on the Question of Religious Intolerance, Madrid, 23.-25. 11. 2001.

2

Endbericht Sekten-Enquete, S. 70 (Download: download).

3

Schultze, S. 206ff.

4

Ithiyar, S. 201.

5

Dieterich, S. 148.

6

Peter Weinbrenner, Grundlagen und Methodenprobleme sozialwissenschaftlicher Schulbuchforschung. In: Olechowski, S. 40.

7

Eine Reihe solcher Fälle dokumentiert Krenzer, S. 7-60 (Download: download). Vgl. auch das Thema Diskriminierung auf dieser Website.

8

Schultze, S. 5.

   
   

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   "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern"
   ist der Titel eines Liedes von Franz Josef Degenhardt (© 1965).

   © 2005 by Michael Krenzer