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B. Feiks, D. Kopriwa, A. Kröker-Kostlan
Ethik 8, Bayerischer Schulbuch Verlag, München 21994 |
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Typ |
Lehrbuch Ethik, Jahrgangsstufe 8 |
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Thematische Einbettung |
3. von 4 Hauptkapiteln: Weltbilder - Menschenbilder
5 Kapitel:
− Der Mensch und seine Welt
− Alte Mythen – Bleibende Geheimnisse
− Autorität und Religion
− Sekten und Jugendreligionen (11 Seiten = 5,8%)
5 Unterkapitel:
• Der fremde Spielmann1
• Transzendentale Meditation (0,5 Seiten)
• Bhagwan und die Sannyasins (2 Seiten)
• Die „Scientology Kirche“ (4,5 Seiten)
• Eltern warnen vor Jugendsekten (1 Seite)
− Markt der wunderbaren Kräfte – Esoterik
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Bezeichnungen, Definitionen |
Sekte: (von lat. sequor) 1. kleinere Religionsgemeinschaft, die sich von größerer abspaltet; 2. religiöses Schimpfwort
Jugendreligion: sucht Anhängerschaft unter älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen; auf Gründer zurückgehende Heilslehre,
Hingabe und Gehorsam erforderlich; Geldspenden und Arbeit
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Gemeinschaften |
Nennung: Zeugen Jehovas, Bhagwan, Mun-Sekte
Kurzvorstellung: Transzendentale Meditation
Darstellung: Bhagwan und die Sannyasins (2 Seiten), „Scientology-Kirche“ (4,5 Seiten) |
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Quellen der Gemeinschaften |
kurze Äußerungen der Gründerpersonen |
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Das Kapitel „Sekten und Jugendreligionen“ stellt die Prävention deutlich
in den Vordergrund. Bereits der Aufmacher, ein Foto der unübersichtlichen Rolltreppenlandschaft eines Einkaufszentrums, suggeriert
chromglänzende Kälte und verwirrende Vielfalt. Vor der eigentlichen Darstellung verschiedener Gemeinschaften werden zunächst die
Begriffe „Sekten“ und „Jugendreligionen“ definiert. Diese aus einem Jugendlexikon2
stammenden Erläuterungen beschreiben den Begriff „Sekte“ recht zutreffend, während die Definition von „Jugendreligionen“ als Gruppen,
die ihre Anhängerschaft hauptsächlich unter älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen suchen“, fachwissenschaftlich nicht haltbar
ist. Von der Fachwissenschaft ebenfalls nicht gedeckt sind die im Text enthaltenden Generalisierungen, die die üblichen Vorwürfe
gegenüber religiösen Minderheiten widerspiegeln und als „grobes Raster von Grundideen, die den meisten noch so unterschiedlichen
Jugendreligionen gemeinsam sind“ bezeichnet werden: finanzielle Ausbeutung, Trennung von Freunden und Familie, Forderung von Hingabe
und Gehorsam, Erlösungsgedanke, Selbstaufgabe. Entgegen den zuvor beschriebenen Erkenntnissen wird behauptet: „In der Regel wird der
Eintritt in Sekten-Organisationen leicht gemacht, ein Austritt ist dagegen schon um einiges schwieriger.“
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Bereits im ersten Unterkapitel werden Medien in suggestiver Weise zusammengestellt.
Das Gedicht „Der fremde Spielmann“ schildert wie die Kinder einer Stadt durch einen Spielmann nach Art des Rattenfängers von Hameln ver- und
entführt werden; zurück bleiben die verzweifelten Eltern. Kombiniert wird dieses Gedicht mit zwei Bildern von Bhagwan-Anhängern, die in
ehrfürchtiger Haltung den aus einem Auto steigenden Bhagwan begrüßen bzw. in der Öffentlichkeit mit zum Himmel erhobenen Armen und
geschlossenen Augen ein Schild mit dem Text „Leben Lachen Lieben – Bhagwan bleibt“ präsentieren. Sollte die Rattenfänger-Parallele
von den Schülern nicht schon selbständig erkannt werden, so leisten dies die zugehörigen Arbeitsaufträge: „1. Welchen Eindruck machen
die Menschen auf diesen Bildern auf euch? 2. Vergleicht das Gedicht mit den Bildern! Gibt es Übereinstimmungen?“ Die Geringschätzung
des religiösen Selbstverständnisses einer Gruppe, die sich einem Guru angeschlossen hat, tritt deutlich hervor: „In der meist geringen
Freizeit werden die Schriften und Worte des erleuchteten Führers gemeinsam gelesen, gehört, meditiert und gelernt. Kritisches Diskutieren
über den Sinn oder Unsinn der Äußerungen des Meisters stehen nicht auf dem Programm; Hingabe und Gehorsam werden großgeschrieben.“
Qualifizierungen dieser Art setzen sich in den Beschreibungen der einzelnen Gruppen fort. So werden ohne weiteren Beleg die Kursangebote
der Transzendentalen Meditation (TM) wie folgt bewertet: „Auch hier geht es weniger darum, die Welt, die eigene Umgebung und sich selbst
besser zu verstehen, sondern um eine immer enger werdende Bindung an Lehre und Meister.“
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Außer einer knappen Vorstellung von TM werden „Bhagwan und die Sannyasins“ und
„Die ‚Scientology Kirche‘“ ausführlich behandelt. Bei Ersteren werden keine weiteren Hinweise auf die religiösen Wurzeln der Gruppen gegeben.
Die Zahlenangaben zur Anhängerschaft der Gruppen in Deutschland (TM: 150.000; Scientology: 300.000) sind stark überzogen. Im Rahmen des
Scientology-Kapitels werden weitere Gruppen erwähnt: „In der Bundesrepublik ist Scientology ... inzwischen Marktführer unter den Seelenfängern,
weit größer als die Zeugen Jehovas, Bhagwan oder die Mun-Sekte“ (aus: „Stern“, Nr. 18, 26.4.1990). Hier hat es den Anschein, als wolle der Autor
bei der Benutzung den abwertenden Begriffs „Seelenfänger“ Deckung hinter einer auflagenstarken Illustrierten suchen. In ähnlicher Weise wird
unter der Kapitelüberschrift „Eltern warnen vor Jugendsekten“ ein Zeitungsartikel („Süddeutsche Zeitung“, 14.2.1984) eingesetzt, um religiösen
Minderheiten die Religiosität abzusprechen. Der Artikel warnt vor Unterwanderung und verdeckter Missionierung, auch und vor allem im Bereich
der Wirtschaft. Die Methoden der Sekten seien „in jüngster Zeit subtiler und raffinierter geworden“, Religion diene „lediglich als Maske“,
„Sekten wie Mun, Bhagwan und andere ‚destruktive Kulte‘ verstärken zunehmend ihre Bestrebungen, so genannte ‚Multiplikatorenstellen‘ zu
besetzen, um ihre Ideologien in der Gesellschaft zu verbreiten. ... So stellten Ärzte, Richter, Rechtsanwälte oder Sozialarbeiter die Autorität
ihres Berufes in den Dienst der ‚negativen Ideologie‘.“ Die zugehörigen Arbeitsaufträge schließen den Kreis zur einleitenden Spielmann- bzw.
Rattenfänger-Symbolik: „2. Welche Sorgen bewegen die Eltern, wenn sich ihre Kinder Jugendsekten anschließen, auch wenn die Kinder schon über
18 Jahre alt sind? 3. Welche Vorwürfe könnten Eltern selbst treffen, wenn sich Jugendliche an den Angeboten von Jugendsekten orientieren?
... 6. Die fanatische Hingabe an eine Idee findet sich nicht nur bei so genannten Religionsgemeinschaften, sondern auch in anderen Bereichen
des täglichen Lebens. Sucht Beispiele!“
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Außer den Autorentexten finden lediglich Artikel aus Tageszeitungen und
Wochenmagazinen sowie Auszüge aus der Anti-Kult-Literatur Verwendung. Originalquellen aus dem Bereich der religiösen Minderheiten sind
nur in der Form einzelner kurzer Äußerungen der Gründer zu finden. Während ehemalige Mitglieder ausführlich zu Wort kommen, gibt es
keine Berichte von derzeitigen Mitgliedern.
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Im Hinblick auf das Verhältnis Kirche-religiöse Bewegungen findet sich als
einziger Bezug einer der abschließenden Arbeitsaufträge: „Welche Möglichkeiten hätten die Kirchen, Jugendliche auf der Suche nach einer
sinnvollen Lebensgestaltung zu unterstützen? Was wäre euch dabei wichtig?“
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1 |
Nach einem gleichnamigen Gedicht von Karl P. Conz. (1762-1827). |
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2 |
Hartwig Weber, Jugendlexikon Religion, Reinbek 1986, S. 477f. |
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