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Cornelsen - Ethik 7/8

Ralf Uwe Beck, Barbara Brüning, Frieder Burkhardt, Marcus Dannfeld, Fritz Dorgerloh, Hiltrud Hainmüller, Roland W. Henke, Peter Krahulec, Manfred Levy, hgg. von Frieder Burkhardt, Konrad Heydenreich, Peter Krahulec
Ethik 7/8, Cornelsen, Berlin 1997.1
 
Typ Lehrbuch Ethik Jahrgangsstufe 7/8  
Thematische Einbettung 10. von 14 Hauptkapiteln: Weltbilder im Angebot (18 Seiten = 8,7%)
9 Kapitel: (jeweils 2 Seiten)
− Dem Übersinnlichen begegnen
− Okkulte Praktiken
− Geister am Werk?
− Geisterglaube
− An der Grenze des Erklärbaren
− Scientology – ein Angebot für Aufsteiger
− Hare Krishna – ein Angebot für Aussteiger
− Sekten – oder was?
− Mut zum Fragen
 
Bezeichnungen, Definitionen Sekte (mit Checkliste: gezielte Werbung, rettender Meister, rettendes Rezept/Gemeinschaft, absoluter Wahrheitsanspruch, Unterschied Lehre/Wirklichkeit)
religiöse Bewegungen und Psychogruppen
 
Gemeinschaften Bild: Jehovas Zeugen, Mormonen
Nennung: Transzendentale Meditation, die „Vereinigungskirche“ (Gesellschaft zur Vereinigung des Weltchristentums, Mun-Sekte), Mormonen, „Universelles Leben“ („Heimholungswerk Jesu Christi“), „Familie der Liebe“ (früher: „Kinder Gottes“)
Kurzvorstellung: Familie der Liebe, Mormonen, Transzendentale Meditation, Universelles Leben, Vereinigungskirche
Darstellung: Scientology (2 Seiten), Hare Krishna (2 Seiten)
 
Quellen der Gemeinschaften kurze Auszüge aus Schriften der Gemeinschaften (zitiert nach Anti-Kult-Literatur)  
 

Das Lehrbuch folgt dem modernen Doppelseitenprinzip, bei dem jeweils auf zwei Seiten ein Thema abgehandelt wird. Das Kapitel „Weltbilder im Angebot“ folgt dem bedenklichen Ansatz einer gemeinsamen Präsentation der Phänomene „Okkultismus/Spiritismus“ und „religiöse Minderheiten“, wobei das deutliche Schwergewicht auf dem Bereich des Okkultismus liegt.

 

Derart vorbereitet „dürften die Sch. in der Lage sein“, so meint der Lehrerband, „eine Erörterung des Sektenbegriffs zu leisten“. Zwar dürfe der Begriff nicht als „Kampfbegriff verwendet werden, um kleine Religionsgemeinschaften oder anders Denkende zu stigmatisieren. Andererseits gilt: ‚Der Begriff „Sekte“ […] hat jedoch seine Berechtigung, wo bestimmte Gruppen sich absolut setzen, wo das Wirken Gottes oder des Heiligen Geistes außerhalb der eigenen Reihen für unmöglich erklärt wird und wo Menschen mit falschen Versprechungen gezielt abhängig gemacht werden.‘“ Anhand eines weiteren Arbeitsblatts sollen die Schüler „den Facettenreichtum und die Problematik des Sektenbegriffs“ erarbeiten.

 

Das Kapitel wird mit der Doppelseite „Dem Übersinnlichen begegnen“ eröffnet. Blickfang ist eine bunte Mischung von Bildern, die laut Lehrerhandbuch die Schüler „für die Präsenz des Übersinnlichen in ihrer Erfahrungswelt“ sensibilisieren soll. Die Mehrzahl der Abbildungen verweist auf Horoskope, Tarot oder Spiritismus. Unklar bleibt, in welchem Zusammenhang zwei Fotos, die jeweils Zeugen Jehovas bzw. Mormonen in ihrem Missionswerk zeigen, mit dem „Übersinnlichen“ stehen. In ähnlicher Weise irreführend ist eine dieser Doppelseite zugeordnete Kopiervorlage im Lehrerhandbuch. Überschrieben mit „Fragebogen zu Okkultismus und Sekten“ enthält die Vorlage ausschließlich Fragen zum Bereich Okkultismus/Spiritismus.

 

Der Thematik religiöser Minderheiten sind drei Doppelseiten gewidmet. Auf den ersten beiden sollen die Schüler „exemplarisch zwei so genannte Sekten kennen [lernen und ...] sich mit deren Menschenbildern kritisch“ auseinandersetzen. In beiden Fällen folgen die Doppelseiten dem gleichen Schema: zunächst wird „der Weg in die Gruppe und ihr Ziel“ thematisiert und danach gefragt: „Was steckt dahinter?“ Als Begründung für die Auswahl von „Scientology“ und „Hare-Krischna“ gibt das Lehrerhandbuch an, es handele sich um „zwei sich im weitesten Sinn religiös [verstehende] Gruppen, die besonders in den neuen Bundesländern aktiv sind. Sie können als exemplarisch für die ganze Palette derartiger Gruppen gelten, weil sie in ihren Menschenbildern jeweils Extremwerte markieren und insofern unterschiedliche Adressatengruppen ansprechen.“ Unklar bleibt dabei, warum gerade „Extremwerte“ als exemplarisch gelten sollen. Dies wäre etwa so, als würde man NPD und MLPD als exemplarisch für kleinere Parteien oder die Parteienlandschaft schlechthin bezeichnen.

 

Für die dritte Doppelseite „Sekten – oder was?“ wird als Ziel formuliert: Die Schüler „lernen die Merkmale so genannter Sekten kennen und setzen sich mit den Ursachen auseinander, die Menschen anfällig für den Einfluß von Sekten machen“. Im Mittelpunkt dieser Doppelseite steht eine „Sekten-Checkliste“, die mit Verweis auf Friedrich Wilhelm Haack abgedruckt wird, der in den 70er Jahre versucht habe, „Merkmale zu finden, die trotz aller Unterschiede im Einzelnen für alle Sekten typisch sind“. Ausgehend von dieser Liste sollen die Schüler feststellen, „ob es sich bei den [ihnen] bekannten religiösen Gruppen um Sekten handelt“. Dies dürfte jedoch anhand der im „Schülerlexikon“ im Anhang abgedruckten Kurzvorstellungen der Gemeinschaften kaum möglich sein.

 

Es gibt noch weitere Arbeitsaufträge, die von den Schülern nicht selbständig gelöst werden können. So dürfte es die Schüler überfordern, die auf der Doppelseite „Sekte – oder was?“ abgedruckten fünf Symbole „den fünf entsprechenden Gruppen“ zuzuordnen. Auf der ersten Doppelseite werden die Schüler aufgefordert, sich im „Schülerlexikon“ über Begriffe zu orientieren, die dort gar nicht zu finden sind.

 

Im Text und in den Arbeitsaufträgen finden sich an einigen Stellen Behauptungen oder Bewertungen, die als Tatsachenfeststellungen ausgegeben werden. Die Aufgabe „Welche Gefahren entstehen für den Einzelnen aus der Zugehörigkeit zu einer Sekte?“ suggeriert ohne Beleg das Vorhandensein von Gefahren. Ein anderer Arbeitsauftrag unterstellt, „daß sich besonders Jugendliche für Sekten interessieren“. Wenn gesagt wird, ISKCON-Interessenten „erleben eine scheinbar glückliche Gemeinschaft“, so ist dies ebenso eine unzulässige Bewertung wie das Zitat der Aussage der geschiedenen Frau von Scientology-Gründer Hubbard, die ihren Ex-Mann als „hoffnungslos geisteskrank“ bezeichnet habe.

 

Die verwendeten Quellen sind überwiegend Auszüge aus der Anti-Kult-Literatur. Das Lehrerhandbuch begründet den Einsatz von Aussteigerberichten damit, „einerseits Betroffene authentisch zur Sprache kommen [zu] lassen und andererseits den Schülerinnen und Schülern bestimmte Persönlichkeitsmerkmale potenzieller Gruppenmitglieder bewußt [zu] machen.“ Die mit solchen Berichten verbundenen typischen Probleme bleiben jedoch unerwähnt und unberücksichtigt. Um den Schülern ein fundiertes „eigenständiges Urteil“ über „Scientology“ und „Hare Krishna“ zu ermöglichen, werden laut Lehrerhandbuch „neben Hintergrundinformationen von den Gruppen selbst stammende Erklärungen dargestellt, die als symptomatisch für die jeweils vertretenden Menschenbilder gelten können. Die integrierten Gebäudefotos machen die unterschiedlichen Ziele und Grundeinstellungen beider Gruppen noch einmal anschaulich.“ Es darf jedoch bezweifelt werden, ob die recht kurzen Auszüge aus der Literatur der beiden Gemein-schaften, die zudem noch nach Wiedergaben der Anti-Kult-Szene zitiert werden, ein solches Urteil ermöglichen. Ebenso ist fraglich, ob anhand der Aufnahmen des nüchternen Scientology-Zentrums in Hamburg bzw. eines als „Vedischer Kulturtreff, Weimar“ bezeichneten zerfallenden Gebäudes auf das Menschenbild der betreffenden Gemeinschaften geschlossen werden kann.

 

Auf das Verhältnis Kirche-religiöse Gemeinschaften geht das Lehrbuch nur am Rande ein. Ein Arbeitsauftrag lautet: „Manche sagen, zwischen Sekten und Kirchen bestünde eigentlich kein Unterschied. Führt darüber ein Streitgespräch, zu dem ihr auch eine Pfarrerin/einen Pfarrer einladen könnt.“ Das Lehrerhandbuch ergänz diesbezüglich: „Sollte eine Pfarrerin bzw. ein Pfarrer oder ein Sektenvertreter in den Unterricht eingeladen werden, ist das erfahrungsgemäß dann effektiv, wenn das Gespräch durch vorher erarbeitete Fragen gründlich vorbereitet ist.“ Grundsätzlich wird demnach der Austausch mit den behandelten Gemeinschaften nicht ausgeschlossen.

 
 

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Zum Schulbuch ist auch ein Lehrerband erschienen: Roland W. Henke (Hg.), Ethik 7/8, Handbuch für den Unterricht mit Kopiervorlagen, Berlin 2000.

 

   

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   "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern"
   ist der Titel eines Liedes von Franz Josef Degenhardt (© 1965).

   © 2005 by Michael Krenzer