Konkordia – Handeln und Verantworten |
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Martina Hasert, Harald Herrmann, Heidrun Krauß, Maritta Unbehaun, Helmut Wamsler
Ethik 8 – Handeln und Verantworten, Mittelschule und Gymnasium, Konkordia Verlag, Bühl 1996. |
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Typ |
Lehrbuch Ethik Jahrgangsstufe 8 |
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Thematische Einbettung |
4. von 4 Hauptkapiteln: Okkultismus, neue Verheißungen religiösen Ursprungs und von Psychogruppen (35 Seiten = 16,7%)
4 Kapitel:
− Merkmale und Erscheinungsformen des Okkultismus (13 Seiten)
− Von neuen Verheißungen religiösen Ursprungs und von Psychogruppen (10 Seiten)
− Verlockungen durch Psychogruppen und neue Verheißungen religiösen Ursprungs (3 Seiten)
− Gefahren durch neue Verheißungen religiösen Ursprungs und durch Psychogruppen (11 Seiten)
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Bezeichnungen, Definitionen |
Neue Verheißungen religiösen Ursprungs und Psychogruppen
„Sekte“: Verdammungsurteil gegenüber neureligiösen Gruppierungen, historische Wurzeln als kirchlicher „Kampfbegriff“
Jugendreligionen, -sekten, ca. 300 Gruppierungen
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Gemeinschaften |
Kurzvorstellung: Orden des Sonnentempels, Vereinigungsbewegung (Mun-Bewegung), Osho (Bhagwan), Transzendentale Meditation
Darstellung: Kinder Gottes (5 Seiten), Scientology (11 Seiten) |
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Quellen der Gemeinschaften |
keine |
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Das Kapitel mit dem sperrigen Titel „Von neuen Verheißungen religiösen
Ursprungs und von Psychogruppen“ beginnt mit zwei abschreckenden Geschichten. Zunächst werden die Schüler aufgefordert sich eine
Autofahrt per Anhalter vorzustellen, die zum gefährlichen Horrortrip wird und die sie nur „mit viel Glück“ überleben. Fazit: „Und
du schwörst dir, in Zukunft genau zu prüfen, wo du einsteigst. Ein löblicher Vorsatz. Erst recht, wenn du mit Körper, Geist und Seele
irgendwo ‚einsteigen‘ willst.“ Zur Bestätigung der drohenden Gefahr wird nun unter der Überschrift „Sterben für den Wahn“ über den
Massenselbstmord des „Ordens der Sonnentempler“ berichtet.
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Nach diesem reißerischen Aufmacher ist die nachfolgende neutrale
Auffassung des religiösen Pluralismus fast überraschend: „Nicht alles, was da sammelt und informiert, wirbt und missioniert, ist
gleich gut. Nicht alles muß schlecht sein.“ Der Begriff „Sekte“ wird kritisiert als „eine Art Verdammungsurteil gegenüber
neureligiösen Gruppierungen“, der bereits im Mittelalter bei der Verfolgung und Vernichtung abweichender Lehren als „Kampfbegriff“
der Kirche benutzt worden sei. „Daß dies ziemlich intolerant ist, wird klar, wenn man bedenkt, daß die heutigen Großreligionen
ebenfalls nur als ‚Sekten‘ ... begonnen haben.“ Trotz dieser Einschätzung, wird der Begriff „Sekte“ nur in den Kapitelüberschriften
(s.o.) vermieden. In den Materialien und Autorentexten findet er jedoch weiterhin Verwendung und wird durch griffige, aber pejorative
Kurzformeln wie z.B. „totalitäre Psychosekte mit universellem Anspruch“ (Vereinigungskirche) oder „esoterischer Guru-Kult“ (Osho)
verstärkt. Auch die obsoleten Begriffe Jugendreligionen und -sekten kommen zusammen mit den drei Haackschen Merkmalen erneut zu
Ehren, um die „ca. 300“ Gruppierungen zu beschreiben, deren angebliches Betätigungsfeld die Sinnsuche junger Menschen sei. Zum
„Test“ wird den Schülern außerdem auch in diesem Buch eine Checkliste vorgelegt, die 19 (!) typische Eigenschaften „von religiösen
und weltanschaulichen Sekten und Gruppierungen“ enthalte. „Sie kann dir dabei helfen, eine erste Beurteilung vorzunehmen und dich
davor zu bewahren, leichtfertig Mitglied einer solchen Gruppe zu werden. Wenn du nur eine oder zwei Behauptungen anstreichen kannst,
dann ist bereits Vorsicht geboten!“
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Die abgedruckten Materialien stammen vielfach aus der Tagespresse:
zitiert werden z.B. Focus, Spiegel, Thüringer Allgemeine und die Stuttgarter Zeitung. Sogar die Kurzvorstellung der Vereinigungskirche
ist der „Wochenpost“ vom 12.1.1995. entnommen. Andere Darstellungen religiöser Gemeinschaften stammen aus einem Lexikon.1
Hinsichtlich der „Kinder Gottes“ entbehrt es jedoch einer gewissen Aktualität. So wird die Zahl der Anhänger völlig überzogen mit „ca. 3000“ angegeben.
Als typische Anwerbemethode wird immer noch das „flirty fishing“ beschrieben, obwohl diese Form prostituierender Werbung 1987 offiziell
eingestellt wurde. Natürlich kann ein 1992 erschienener Lexikonartikel nicht den Tod des 1994 verstorbenen Gründers David Berg mitteilen,
aber von einem 1996 erschienen Schulbuch dürfte man einen diesbezüglichen Hinweis erwarten, insbesondere wenn auf seine Führungsrolle
innerhalb der Gruppe explizit eingegangen wird.
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Das Buch enthält einige, ebenfalls teilweise der Presse entnommene
Aussteigerberichte, die über mehrere Seiten hinweg unkritisch und unkommentiert abgedruckt werden. Der entsprechende Bericht zu den
„Kindern Gottes“ beschreibt allein über eine Seite lang den quälenden Ablauf einer „Deprogrammierung“.2
Auch das ehemalige Scientology-Mitglied Elke Peters (Pseudonym) berichtet auf über einer Seite von ihrer Rückbekehrung, nachdem
Freunde sie „zum Glück“ „mit einem genialen Trick in ein Rehabilitationszentrum für Sektengeschädigte“ „verfrachtet“ hatten.
Rückblickend beurteilt Peters ihre Mitgliedschaft wie folgt: „Wichtig ist hier noch zu erwähnen, daß das Horror-Abenteuer Scientology
eine durchaus konstruktive Krise ausgelöst hat, durch die ich lernte, mein Leben in den Griff zu bekommen. Aber wichtig war dabei die
Krise, nicht Scientology. Es hätte genausogut eine deftige Drogensucht oder eine andere Katastrophe als Auslöser fungieren können.“
Als weiterer Kronzeuge gegen das „Reich des Bösen“ wird Robert Vaughun Young präsentiert. Das ehemals hochrangige Scientology-Mitglied
berichtete im Magazin „Der Spiegel“ (Nr. 39/1995) über Scientologys Kampf gegen Deutschland. Er bezeichnet Deutschland als eines der
wichtigsten Ziele eines Programms, das Scientology-Gründer L. Ron Hubbard 1973 unter dem Codenamen „Snow White“ („Schneewittchen“) zur
Erringung der „Kontrolle über den Planeten“ entwickelt habe. Da „nur eine Handvoll Auserwählter ... Einblick in das Ausmaß und die
Zielsetzung dieses Programms“ bekommen habe, ist die Überprüfung des Wahrheitsgehalts dieser Verschwörungstheorie kaum möglich.
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1 |
Gerhard J. Bellinger, Knaurs großer Religionsführer, o.O. München 1992. |
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2 |
Zu Recht weist das Lehrerhandbuch zu „Leben leben“ darauf hin,
daß kritische Ehemaligenberichte in auffälliger Häufung gerade von denen vorgebracht werden, die „von professionellen ‚Deprogrammierern’
gewaltsam aus einer Religionsgemeinschaft entführt, von der Außenwelt isoliert und in tagelangen Sitzungen so lange ideologisch traktiert
wurden, bis sie sich ‚innerlich’ von der Gruppe losgesagt hatten und in ein ‚normales’ Leben ‚zurückgeführt’ werden konnten“. Vgl dazu
auch Kuner, S. 53ff; Ursarski, S. 149. Es ist erschreckend, daß derartige
kriminelle Machenschaften – Zwangsindoktrination ist eine Form der Folter – heute noch in einem Schulbuch in positiver Weise präsentiert
werden. Vgl. Süss, S.29. |
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