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Militzke – Ethik, Klassen 7/8

Burkhart Brüning, Helge Eisenschmidt, Eveline Luutz, Jana Paßler, Holger Preißler1, hg. von Karl-Heinz Gehlhaar
Ethik, Klassen 7/8, Landesausgabe, Militzke-Verlag, Leipzig 2004.
 
Typ Lehrbuch Ethik Jahrgangsstufen 7/8  
Thematische Einbettung 2. von 10 Hauptkapiteln: „Sekten“, Okkultismus und Esoterik (24 Seiten = 9,3%)
5 Kapitel:
− Der „religiöse Supermarkt“ (4 Seiten)
− Esoterik und Okkultismus (10 Seiten)
− „Sekten“ und Psychogruppen (5 Seiten)
− Psychogruppen und Profite (2 Seiten)
− Verlockungen und Gefahren (3 Seiten)
 
Bezeichnungen, Definitionen Alltagssprache: Sekten, Jugendreligionen, Kulte oder als Psychokulte bezeichnet
Sekte: (von lat. sequi) religionssoziologischer Begriff, meist abwertend gebraucht
 
Gemeinschaften Nennung: Zeugen Jehovas
Darstellung: Zeugen Jehovas (1 Seite), ISKCON (1 Seite), Osho-Bewegung (1 Seite), Transzendentale Meditation (1 Seite), Scientology (2 Seiten)
 
Quellen der Gemeinschaften Kurze Auszüge aus Schriften der Gemeinschaften (Zeugen Jehovas, Hare-Krishna, Scientology)  
 

Auch dieses Buch behandelt religiöse Minderheiten und okkulte Phänomene in einem Kapitel. Insgesamt zeichnet sich die Darstellung des Themenbereichs „Sekten“ erkennbar durch ein Bemühen um Neutralität aus. Als Erklärung für die wachsende Zahl religiöser Gemeinschaften wird im ersten Kapitel „Der ‚religiöse Supermarkt‘“ die Globalisierung herangezogen: „In unserem Jahrhundert sind die verschiedenen Teile der Welt durch moderne Massenmedien, bequeme Verkehrsverbindungen, Massentourismus und große Wanderungsbewegungen der Menschen enger miteinander verbunden. Fremde Kulturen und Religionen erscheinen zwar weiterhin meistens exotisch und sind dadurch in besonderer Art anziehend. Aber sie existieren nicht mehr nur in der Ferne. Ihre Anhänger sind auch bei uns anzutreffen und kennen zu lernen. In Deutschland wirken heute unterschiedlichste Religionen und religiöse Richtungen. Ständig entstehen neue, wenn sie teilweise auch nicht lange existieren und nur eine kleine Anhängerschaft umfassen. In der Alltagssprache werden solche Gruppen und Bewegungen auch als Sekten, Jugendreligionen, Kulte oder als Psychokulte bezeichnet.“ Die Schüler werden im Anschluß durch einen Arbeitsauftrag aufgefordert: „Stelle anhand von Presse- und anderen Berichten fest, wer so bezeichnet wird. Inwiefern kommen solche Gruppierungen und Strömungen selbst zu Wort? Welches religiöse Anliegen wird ihnen zuerkannt? Welche anderen Ziele werden genannt?“ Dieser Auftrag nimmt zwar auf die aktuelle Sekten-Diskussion Bezug, ohne jedoch der Versuchung einer vorschnellen Abwertung zu erliegen. Entsprechend wird im Autorentext weiter ausgeführt: „Heute herrscht religiöse Vielfalt, die oft als eine Art Supermarkt erscheint. Man kann Religion wie eine Ware einkaufen und ausprobieren, ohne bei einer bleiben zu müssen. Vielmehr kann man sie austauschen oder sich nach eigenem Geschmack etwas zusammenbrauen. ... Neben das Religiöse treten andere Verheißungen, die über die Alltagsgrenzen hinausweisen. Die Annahme dieses Angebots ist manchmal einfach Konsum oder Mode, gelegentlich auch Protest, oft auch Suche nach scheinbaren Sicherheiten.“

 

Diese neutrale Haltung wird auch im Kapitel 3 „Sekten und Psychogruppen“ wieder aufgegriffen, wenn das Wort „Sekte“ dort dem Schülerduden „Die Religionen“ folgend definiert wird als „religionssoziologischer, meist abwertend gebrauchter Begriff für eine religiöse Gruppe, die aus Protest gegen den Amtscharakter der offiziellen Religion entstanden ist und auf freiwilligem Zusammenschluß ihrer Mitglieder beruht“. Als besondere Merkmale werden genannt: „Die Mitglieder von Sekten heben deren Gemeinschaftscharakter hervor und zeigen häufig ein persönliches Berufungsbewußtsein. Sie vertreten ihre Ansicht nicht selten mit Radikalismus und missionarischem Einsatz.“

 

Im Folgenden stellt das Buch einige religiöse Gemeinschaften auf jeweils einer Seite vor. Auswahlkriterium ist die jeweilige Herkunftstradition. Unter der Überschrift „Neue Gruppen christlicher Herkunft“ werden zunächst Zeugen Jehovas behandelt, obwohl diese kaum als „neue“ Gruppe bezeichnet werden können.2 Die Darstellung der Zeugen Jehovas enthält leider einige unglückliche Formulierungen und Ungenauigkeiten3. Die Feststellung, sie „stützen sich auf eine besondere Deutung der Bibel“, ist wenig aussagekräftig, es sei denn, der Autor will andeuten, nur die kirchliche Deutung der Bibel sei zulässig. Statt der Wendung, sie „bekämpfen ... einige kirchliche Auffassungen wie die Lehre von der göttlichen Dreieinigkeit“ sollte besser davon gesprochen werden, daß sie in manchen Punkten andere Ansichten vertreten als die Großkirchen. Die Aussage „außerdem lehnen sie moderne medizinische Praktiken wie die Bluttransfusion ab“ kann beim Leser den falschen Eindruck erwecken, Zeugen Jehovas würden die moderne Medizin weitgehend ablehnen. In ähnlicher Weise ist die Formulierung „Sie erwarten das baldige Ende der Welt“ mißverständlich, wenn nicht erläutert wird, daß Zeugen Jehovas mit dieser Wendung keineswegs eine Zerstörung der Erde verbinden, sondern die Errichtung eines göttlichen Friedensreiches auf der Erde. Dabei lehren sie nicht, „wer sich ihnen anschließe, rette sich vor dem bevorstehenden Weltuntergang“. Die Aussage „In ihren Gruppen leben sie nach strengen Vorschriften“ ist für den Leser wenig hilfreich, wenn der Autor nicht benennt, was er als streng bewertet. Manche ihrer ethischen Prinzipien finden im christlich geprägten Westen durchaus positiven Widerhall, wenngleich häufig die Konsequenz, mit der diese Prinzipien gelebt werden, befremdend wirkt. Im übrigen leben Jehovas Zeugen im allgemeinen nicht in „Gruppen“, sondern wie die übrige Bevölkerung in normalen Familien.4

 

Als „Gemeinschaften indischer Herkunft“ werden ISKCON, die Osho-Bewegung und die Transzendentale Meditation behandelt. Das Kapitel „Psychogruppen und Profite“ ist allein Scientology gewidmet. Neben einer Kurzvorstellung werden mehrere Quellen präsentiert, die von der Gemeinschaft selbst, einem Buch der Anti-Kult-Literatur, einer Aussteigerin und dem Bundesarbeitsgericht stammen.5

 

Das Buch beschließt die Thematik mit dem Kapitel „Verlockungen und Gefahren“. Leider verläßt es hier die bislang relativ neutrale Darstellungsform. Unter der übergroßen Überschrift „Bunte Schrift mit schönen Bildern“ wird zunächst ein Bericht von „Katja M., 18 Jahre“ abgedruckt, die von ihrer Freundin eine kleine bunte Schrift erhalten habe und „zu einer solchen Gruppe“ eingeladen worden sei. „Bald konnte ich mir ein Leben ohne diese Freunde gar nicht mehr vorstellen. Ich merkte, wie primitiv meine alten Freundschaften gewesen waren, und verzichtete auf sie. Ich nahm nun an den langen Gesprächen teil, sah das Unnütze in meinem bisherigen Leben und setzte mich für die neue Gruppe ein, auch wenn es mir schwer viel, mich auf die Straße zu stellen und Schriften zu verteilen. Mancher hielt mich für blöde. Später machte mir das keinen Spaß mehr. Die Freunde übten Druck auf mich aus ... Aber es nutzte nichts. Ich suchte mir andere Freunde. Ich war aber zufrieden. Böse bin ich dieser Gruppe nicht, aber ich möchte nicht immer so leben.“ Im Autorentext wird bilanziert: „Katja ist wieder ‚ausgestiegen‘ und es hat für sie keine Folgen gehabt. Dieser Weg ist jedoch nicht immer so leicht. Mancher findet ihn nicht mehr.“ Direkt im Anschluß wird nun der Text „Für den Guru in den Tod“ abgedruckt, der vom Leben und Selbstmord eines Anhängers von Sri Chinmoy handelt. Diese suggestive Vorgehensweise entspricht leider nicht dem Niveau des ersten Teils des Kapitels. Abschließend werden „Einige Merkmale von neuen Gruppen“ präsentiert. Diese Checkliste, die „in einem Ethik-Zirkel im Gymnasium einer 8. Klasse“ erarbeitet worden sei, umfaßt 6 Punkte, die in gewohnter Weise unzulässige Verallgemeinerungen zur Charakterisierung religiöser Minderheiten enthält.

 
 

1

Autor des besprochenen Kapitels.

2

Eine neue religiöse Bewegung ist nach der Religionssoziologin Eileen Barker eine relativ neue Organisation, die frühestens seit dem Zweiten Weltkrieg auftritt. Jehovas Zeugen existieren jedoch seit Ende des 19. Jahrhunderts und sind seit über 100 Jahren auch in Deutschland tätig. Vgl. Eileen Barker, New Religious Movements, Their Incidence and Significance. In: Wilson, Cresswell, S. 16.

3

Bereits zuvor wird in mißverständlicher Weise eine (fiktive) Schüleraussage („Letzten Sommer haben die Zeugen Jehovas bei uns eine Großveranstaltung gemacht. Fast wie beim Papst. Aber ich weiß nicht …“) mit einem Foto einer leger gekleideten Menschenmenge in einem Stadion unterlegt. Dabei handelt es sich offensichtlich nicht um das Bild einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas, obwohl der Text dies nahelegt.

4

Sollte der Autor ihre Gemeinden im Sinn gehabt haben, lautet die korrekte Bezeichnung „Versammlung“.

5

Interessanterweise wird hier eine burgähnliche Anlage als „Ausbildungsstätte“ von Scientology präsentiert, während im Band „Cornelsen – Ethik 7/8“ anhand der Abbildung eines nüchternen Hochhauses der Charakter der Organisation erarbeitet werden soll.

 

   

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   "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern"
   ist der Titel eines Liedes von Franz Josef Degenhardt (© 1965).

   © 2005 by Michael Krenzer